Google Glass: der „5-Jahre-später“-Test :)
Knapp 5 Jahre ist es her, dass Google Glass auf den Markt kam. Damals gab es Next Reality noch lange nicht, aber auch damals hatte Tobias, unser Gadget- & Hardware-Freak, der alles neue gerne testet, schon starkes Interesse an einem Test, mehr als ein kurzes Ausprobieren war aber damals nicht möglich.
Inzwischen haben wir eine Google Glass in die Hände bekommen und konnten Sie auf Herz und Nieren prüfen. Tatsächlich wird noch geprüft.
Hier die vorläufigen Ergebnisse, die sicherlich noch in diesem oder einem weiteren Post ergänzt werden:
Positives:
- Auch nach 5 Jahren ist die Google Glass noch ein sehr schönes und funktionales Stück Hardware. Das Design ist offensichtlich zeitlos, und die Benutzerführung fühlt sich auch gut an. Sprachkommandos funktionieren genauso gut wie heutzutage mit Google Assistant, nur sind die Optionen teilweise etwas eingeschränkt.
- durch einen kurzen Blick nach oben lässt sich der Bildschirm aktivieren, durch hoch- und geradeausschauen wieder abschalten. Sinnvoll, wenn man z.B. ein Bild gemacht hat, dieses aber nicht verschicken will.
- in der Regel kann über Touch- oder Wischbewegungen am Rand oder Sprache gesteuert werden, das ist je nach Umfeld und Einsatzgebiet natürlich praktisch. Lediglich das normale Kartenmenü, die Ansicht der verschiedenen Funktionen, lässt sich nur über Wischen steuern.
- Fotos lassen sich durch eine Zwinker-Geste mit Blick durch das Prisma auslösen. Das funktioniert bei uns nach etwas Übung in allen Fällen sehr gut. Im Anschluß kann das Bild direkt an einen Hangout-Kontakt verschickt werden, sofern er in der vorgeschlagenen Liste an Kontakten ist. Für Support hinsichtlich Remote-Wartung absolut ausreichend.
- Die Aufnahme eines Videos kann entweder über ein Sprachkommando oder durch längeres Drücken des Knopfes an der Kamera aktiviert werden. Die Standardaufnahme ist zwar relativ kurz, kann durch nochmaliges Drücken des Auslösers aber verlängert werden. Meiner Meinung nach eine sinnvolle Funktion, insb., wenn man mal etwas unbeabsichtigt startet.
Wissenswertes:
- Beim Autofahren oder laufen auf das Display zu schauen, kann zu Motion Sickness führen. War überraschend und unangenehm. Tobias ist da aber auch etwas empfindlich.
- Beim Fahrradfahren ist man zumindest auf sportlichen Rädern stärker nach vorne gebeugt – da stört die Platzierung des Displays, da sie dann stärker im genutzten Sichtfeld liegt.
- die Google Glass kann nur mit einem Smartphone gepaart sein. Will man ein anderes verbinden, ist ein Factory Reset fällig.
- viele der existierenden App-Verzeichnisse enthalten diverse Karteileichen, da der Hype schon lange vorbei ist. Viele Apps können nicht mehr installiert werden.
- Google hat die Videofunktion von Hangouts beim Glass-Update letztes Jahr entfernt. Schade, soll aber eh nicht gut funktioniert haben.
- Das Wischen am Brillenrand funktioniert nicht immer optimal, aber gut genug, um nicht zu nerven.
- Sicherlich auch durch das Alter bedingt: die schnellste ist die Google Glass heutzutage nicht. Meistens stört es nicht, aber manchmal ist sie schon ein bißchen lahm, wenn man heutige Reaktionszeiten gewöhnt ist.
- in seltenen Szenarien stört der Bügel mit der Kamera – wenn jemand z.B. genau dort steht, während man sich z.B. sitzend mit ihm unterhält. Allerdings empfinden wir das nicht als tragisch genug, um als negativer Aspekt genannt zu werden.
- Bei längeren Videoaufnahmen, ca. nach einer halben Stunde, wird die Glass recht warm. Gleichzeitig zieht das aber auch so viel Akku, dass man auch nicht viel länger aufnehmen kann.
- Um die richtige Perspektive bei Bildern und Videos hinzubekommen, ist ein bißchen Übung nötig. Bei Videos wird allerdings das Bild zeitgleich angezeigt, so dass man auch ohne Probleme nachjustieren kann.
Negatives:
- Kommunikation via Hangouts ist nur mit den Kontakten möglich, die einen bereits angechattet haben. Generell ist das Interface etwas anstrengend, auch wenn es gut funktioniert, wenn die Verbindung mal da ist.
- Audioqualität: der interne Lautsprecher ist für Telefonate komplett unpraktikabel. Mit dem Knopf im Ohr, der mitgeliefert wird, ist es ok, aber nicht berauschend im Vergleich zu aktuellen Headsets.
- Navigation: wir haben es zweimal versucht, zu benutzen. Völlig inakzeptabel, da die Spracherkennung offensichtlich auch englisch ausgesprochene deutsche Strassen nicht versteht. Das Senden von Koordinaten an die Glass zur Navigation haben wir nicht hinbekommen, falls das überhaupt geht.
- Bluetooth-Verbindung: grundsätzlich funktioniert das sehr gut, allerdings nur, solange man nicht parallel ein vernünftiges Bluetooth-Headset benutzen möchte. Das geht nämlich nur, wenn die Glass aus ist, da man die Datenverbindung anscheinend nicht aufrecht erhalten kann, während die Headset-Funktion für Anrufe im Android-Smartphone deaktiviert ist. Getestet auf einem Pixel 1 mit Android 8.1. Dies ist tatsächlich der Punkt, der am meisten nervt.
- Um die Glass auszuschalten, muss man sie abnehmen – sonst kommt man nicht an den an der Innenseite liegenden Knopf. Dann aber wiederum sieht man kaum, wenn das Ausschalten optisch bestätigt wird..
Das Urteil
Für das Anleiten geschulter Mitarbeiter via Remote Support aus der Zentrale, Aufnahmen von Hands-On-Video-Montageanleitungen und ähnliche Zwecke ist die Google Glass völlig ausreichend, voll funktionsfähig und gut zu bedienen. Die Sprachqualität ist nicht optimal, aber auch erträglich, wenn man den Knopf im Ohr hat.
Aus unserer Sicht ist die Google Glass immer noch ein Produkt, das sich nicht verstecken muss, insb. nicht für die oben genannten Zwecke vor der Microsoft Hololens. Wir bevorzugen die Anzeige von Informationen im peripheren Sichtfeld und nicht direkt vor uns. Zudem finden wir die freiere Sicht und die geringe Einschränkung des Sichtfelds durch den Bügel sehr positive Aspekte.